Es war an einem Tag im März. Gut gelaunt und zur Feier des Tages hatte ich mir ein schickes Oberhemd angezogen. Bald machte meine Frau mich darauf aufmerksam, dass das Hemd zwischen den Knöpfen spanne, also die Knopfleiste leicht auseinanderweiche. Mein erster Gedanke war, das Hemd müsse bei der letzten Wäsche eingelaufen sein. Meine Frau sagte dazu „Quatsch“, mehr nicht. Sollte der Bauch gewachsen sein? Ich zog ihn ein wenig ein und fühlte mich dennoch unbehaglich, meine Laune auch. Wenn man sich draußen so umschaut, wächst der Bauch bei vielen Männern mit zunehmendem Alter. Scheint wie ein Naturgesetz zu sein. Was ist jetzt zu tun?
- Zwar teuer, aber am einfachsten durchführbar ist der komplette Austausch aller Hemden. Und am besten nimmt man nicht mehr slim fit und nicht nur eine Nummer größer, sondern packt noch eine Größe drauf. Das ist vorausschauend. Und ich müsste an meinem Lebensstil nichts ändern.
- Ich könnte auch mehr Sport treiben, aber es ist ja wissenschaftlich belegt, dass das fürs Abnehmen nicht viel bringt. Sport ist allenfalls gut für eine positive Einstellung zum eigenen Körper.
- Aktuell sehen wir einen Trend, vermehrt auf tierisches Eiweiß zugunsten von pflanzlichem zu verzichten. Super: einfach das Eiweiß ändern und gut ist. Vielleicht bringt ja der Fortschritt auch noch die Pille gegen den dicken Bauch. Erste Pharmafirmen versuchen, uns davon zu überzeugen. Das macht Hoffnung.
- Wenn nun eine von diesen Verbotsparteien „Junk und Convenience Food“ oder sogar Fleischkonsum verbieten sollte, dann kommt das für die meisten Menschen gar nicht infrage. Das wäre ein zu großer Eingriff in unsere persönliche Entscheidungsfreiheit. Die Menschen würden sich wahrscheinlich vorher große Mengen an Vorräten zur Seite schaffen.
Als Leiter eines Adipositas-Zentrums habe ich viele Leidensgeschichten von Betroffenen gehört und von deren Schwierigkeiten, ihre Gewohnheiten zu verändern. Auch der Klimawandel fordert uns zur Abkehr von liebgewonnen Gewohnheiten auf. Und wir tun uns schwer. Veränderung ja, solange ich nicht selbst betroffen bin. Die Umstellung der Ernährung ist für Adipöse so notwendig wie die Verkehrswende für uns alle. Die Ausreden klingen ganz ähnlich, so habe ich die Punkte auch einander gegenübergestellt.
- In Deutschland stieg der KFZ-Bestand von 2008 bis 2023 um 21,1 Prozent und Wirtschaftsforscher glauben, dass die Zahl privater Pkw in Deutschland bis 2030 um weitere 3,9 Prozent wächst. Das ist wie ein Naturgesetz. Und das kann man nicht verändern. Da beschäftigen wir uns doch lieber mit den Konsequenzen als mit den Ursachen. Also sollten wir schon jetzt Autobahnen auszubauen, Verkehrskotenpunkte vergrößern und Abbiegespuren neu einzurichten. Das ist vorausschauend. Und wir müssen nichts an unserem Lebensstil ändern.
- Wir könnten die Geschwindigkeit auf Autobahnen limitieren, aber man weiß ja, dass das für eine signifikante Reduzierung des CO2-Austoßes nicht viel bringt.
Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne Tempo-Limit. In allen anderen Ländern der EU, der OECD sowie der G20 gibt es so etwas auf Autobahnen. Ein bundesweites, generelles Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde (km/h) auf Autobahnen könnte die gesamten CO2-Emissionen um 5,7 % senken oder um 5,4 Mio. Tonnen. In Deutschland werden insgesamt 858,4 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Wir sparen also nur 0,6 Prozent ein und das ist wahrhaftig nicht viel. Oder? - Zurzeit setzen wir zunehmend auf Elektromobilität. Super, einfach den Antrieb ändern und gut ist. Vielleicht bringt ja der Fortschritt auch noch neue Energiequellen wie Wasserstoff und E-Fuels gegen den hohen CO2-Ausstoss. Hoffnung.
- Jetzt wollen doch die Parteien und sogar die EU den Verbrennungsmotor bei Neuwagen ganz verbieten. Das wäre ein zu großer Eingriff in unsere persönliche Entscheidungsfreiheit. Die Menschen würden sich wahrscheinlich vorher gut eindecken und wir bekommen kubanische Verhältnisse.
Schon vor zwei Jahren schrieb der „Spiegel“, dass wir wohl unsere Klimaziele nicht erreichen werden. Deswegen habe sich bereits im November 2021 das Umweltbundesamt für einschneidende Maßnahmen ausgesprochen, damit die Klimaziele im Verkehrsbereich erreicht werden können. Dazu gehören höhere Spritpreise, eine Abschaffung der Pendlerpauschale, der massive Ausbau von Bussen und Bahnen, ein Tempolimit sowie eine Pkw-Maut. Der Autofahrerclub ADAC reagierte empört auf die Vorschläge, die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ging auf Distanz zum Umweltbundesamt. Man müsse den Bürger, also auch mich, schließlich mitnehmen. Schon, um wiedergewählt zu werden. Ob das Klima dafür Verständnis hat?